Ein multikultureller Blick auf Prokrastination
Oft wird angenommen, dass es sich bei Prokrastination um ein universelles Verhalten handelt, welches jede Person gleich beeinflusst. Das trifft jedoch nicht vollständig zu. Während Prokrastination zwar weit verbreitet ist, unterscheiden sich die Prävalenz und Methoden des Umgangs maßgeblich in verschiedenen Kulturen.
Daher befassen wir uns in diesem Artikel mit kulturellen Unterschieden, und entwickeln ein tieferes Verständnis für die gesellschaftlichen Normen und Werte, die unsere Tendenzen zum Aufschieben formen.
Kulturelle Dimensionen und deren Einfluss auf unser Verhalten
Jede Person setzt sich mit Ablenkung, Stress, und dem gelegentlichen Verlangen Aufgaben zu verschieben auseinander. Der nennenswerte Unterschied liegt hierbei oft in unserem kulturellen Hintergrund - dieser bestimmt wesentlich wie gut (oder schlecht) wir mit Prokrastination umgehen.
Um diesen Faktor etwas wissenschaftlicher betrachten zu können, schauen wir uns zwei formale Modelle an, um den Einfluss von Kultur auf unser Verhalten greifbar zu machen.
Hofstede’s Theorie der kulturellen Dimensionen
Dieses Model wurde ursprünglich von dem gleichnamigen Sozialpsychologen Geert Hofstede erforscht und entwickelt. Durch umfassende Recherche identifizierte er sechs treibende Dimensionen, die die Einstellungen und Verhaltensweisen einer Gesellschaft einfangen.
Diese Dimensionen - Machtdistanz, Individualismus vs. Kollektivismus, Maskulinität vs. Femininität, Unsicherheitsvermeidung, Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung, und Genuss vs. Zurückhaltung - werden heutzutage weitlaufend verwendet, um Unterschiede in Verhaltensweisen über Kulturen hinweg zu erklären. In diesem Artikel beschränken wir uns der Einfachheit halber auf die folgende zwei:
Individualismus vs. Kollektivismus
Nehmen wir Individualismus vs. Kollektivismus als Beispiel. In einer Individualistischen Kultur wie den Vereinigten Staaten von Amerika stehen persönliche Errungenschaften und Ziele im Fokus. Deswegen wird Prokrastination oft als eine Schwäche, die es selbstständig zu überwinden gibt, abgestempelt.
Aber wenn wir den Blick auf kollektivistische Kulturen, wie Japan oder Südkorea werfen, steht das Pflichtgefühl gegenüber der eigenen “Gruppe” an erster Stelle. Prokrastination wird nicht als persönliches Problem wahrgenommen; es beeinflusst die Harmonie der gesamten Gruppe, was zu internem Leistungsdruck führt. Und diese kleine Differenz kann all den Unterschied machen!
Unsicherheitsvermeidung
Und dann gibt es noch Unsicherheitsvermeidung. Kulturen, die einen hohen Grad aufweisen - zum Beispiel Portugal oder Griechenland - tendieren dazu weniger Toleranz für Unklarheiten zu haben. Personen mit diesem Hintergrund prokrastinieren oft aus Angst einen Fehler zu machen, und warten stattdessen einen Zeitpunkt ab, an dem sie sich sicher fühlen, auch wenn die Deadline dadurch gereizt wird.
Im Kontrast dazu stehen Kulturen mit einer geringen Unsicherheitsvermeidung wie Dänemark oder Singapur. In diesem Umfeld sind Individuen meist risikofreudiger und können Entscheidungen treffen, ohne jedes letzte Detail zu kennen, wodurch Prokrastination stark eingedämmt werden kann.
Grundsätzlich liefert jede Dimension eine einzigartige Perspektive, um Prokrastination zu untersuchen. Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung zum Beispiel zeigt auf, ob Aufgaben mit Ruhe und Voraussicht angegangen werden, oder schnelle Zielerreichung im Zentrum stehen. Daher sollten wir den Einfluss von Prokrastination nun als tiefgreifendes Konzept basierend auf kulturellen Erwartungen und Werten wahrnehmen, anstatt einem individuellen Problem auf Personenebene.
Exkurs: Das Trompenaars Model
Während Hofstede’s Dimensionen eine ideale Basis zur Betrachtung von Produktivität und Verhaltensweisen in einer Gesellschaft bieten, fokussiert dich Trompenhaars’ Framework auf das Verständnis von interpersonalen und professionellen Beziehungen.
Dafür können wir uns einfach ein deutsches Unternehmen (Yeah, Deutschland!) mit strikten Regeln zu Pünktlichkeit, und eine italienische Firma vorstellen, bei der Deadlines mehr als ein Vorschlag anstatt einer Anforderung angesehen werden.
Jede Kultur prägt durch Aspekte wie diese unterbewusst, wie wir Aufgaben angehen (oder genau so gerne aufschieben).
Prokrastination über Kulturen hinweg: Studien & Analyse
Es ist immer einfach über kulturelle Unterschiede zu theorisieren, deswegen schauen wir uns nun genaue Situationen an, um ein klareres Bild vor Augen zu haben. Dadurch sollte uns schnell bewusstwerden, wie dramatisch (oder schwach) Kultur unser Aufschiebeverhalten beeinflusst.
Eine Vergleichsstudie zu Prokrastinationsraten
Eine Studie, die wir als Referenz nutzen können, vergleicht die Prokrastination vor dem Zubettgehen von Sozialarbeitern aus den USA und China.
Folgendes Szenario: Angestellte, die ihr Smartphone im Rahmen ihres Berufs auch nach der Arbeit im Jobkontext genutzt haben, hatten ein größeres Problem, dieses wegzulegen und schlafen zu gehen (”Bedtime procrastination”). Dieser Effekt ist auf die erschöpfte Selbstkontrolle zurückzuführen, und wurde wesentlich stärker bei US-Amerikanern festgestellt. Aber wieso?
Eine mögliche Erklärung bieten kulturelle Erwartungen, und die Work-Life Trennung. In den USA, wo Individualismus und Flexibilität in der Work-Life Balance einen hohen Stellenwert einnehmen, fordert die Überschneidung von Arbeit mit dem persönlichen Leben mehr Selbstkontrolle, und resultiert somit in Prokrastination. In China beruft man sich stattdessen auf kollektive Verantwortung, weswegen Angestellte gewohnt sind, auch nach der Arbeit erreichbar zu bleiben.
Meta-Analyse: Äußere Umstände als Faktor von Prokrastination
Eine weitere Studie wirft den Blick auf sozioökonomische Faktoren, Familiengröße, und die Wahl des Studiengangs, um Prokrastination im kulturellen Kontext nachzuvollziehen. In der Meta-Analyse wurde kein signifikanter Zusammenhang zwischen den obigen Faktoren und Prokrastination gefunden.
Das ist ein überraschendes Ergebnis! Darauf basierend können wir vermuten, dass individuelle Faktoren, im Vergleich zu kulturellen Normen und Werten, nur eine untergeordnete Rolle einnehmen, wenn es um Prokrastinationsverhalten geht.
Was uns diese Studien sagen
Damit wissen wir, dass Prokrastination zwar ein universelles Phänomen ist, jedoch von jeder Person anders erlebt wird. Während die Handynutzung aus der ersten Studie dieselbe sein mag, wird die Intensität der Folgen abhängig auf der Kultur stärker oder schwächer manifestiert. Kulturelle Werte bezüglich Arbeit, Zeit, und Verantwortung formen Aufschiebeverhalten individuell, und sozioökonomische Aspekte rücken dabei in den Hintergrund.
Fazit
Wenn eines klar geworden ist, dann das Prokrastination nicht nur ein Faktor von Persönlichkeit und Motivation ist; es ist ebenfalls ein Produkt der Kultur, in der wir unser Leben führen. Also wenn du das nächste Mal das Bedürfnis hast, eine Aufgabe aufzuschieben, denke über das folgende nach: Prokrastinierst ich aus persönlicher Gewohnheit, oder gibt mir mein Umfeld einen (ungewollten) Stoß in diese Richtung?
Oft wird angenommen, dass es sich bei Prokrastination um ein universelles Verhalten handelt, welches jede Person gleich beeinflusst. Das trifft jedoch nicht vollständig zu. Während Prokrastination zwar weit verbreitet ist, unterscheiden sich die Prävalenz und Methoden des Umgangs maßgeblich in verschiedenen Kulturen.
Daher befassen wir uns in diesem Artikel mit kulturellen Unterschieden, und entwickeln ein tieferes Verständnis für die gesellschaftlichen Normen und Werte, die unsere Tendenzen zum Aufschieben formen.
Kulturelle Dimensionen und deren Einfluss auf unser Verhalten
Jede Person setzt sich mit Ablenkung, Stress, und dem gelegentlichen Verlangen Aufgaben zu verschieben auseinander. Der nennenswerte Unterschied liegt hierbei oft in unserem kulturellen Hintergrund - dieser bestimmt wesentlich wie gut (oder schlecht) wir mit Prokrastination umgehen.
Um diesen Faktor etwas wissenschaftlicher betrachten zu können, schauen wir uns zwei formale Modelle an, um den Einfluss von Kultur auf unser Verhalten greifbar zu machen.
Hofstede’s Theorie der kulturellen Dimensionen
Dieses Model wurde ursprünglich von dem gleichnamigen Sozialpsychologen Geert Hofstede erforscht und entwickelt. Durch umfassende Recherche identifizierte er sechs treibende Dimensionen, die die Einstellungen und Verhaltensweisen einer Gesellschaft einfangen.
Diese Dimensionen - Machtdistanz, Individualismus vs. Kollektivismus, Maskulinität vs. Femininität, Unsicherheitsvermeidung, Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung, und Genuss vs. Zurückhaltung - werden heutzutage weitlaufend verwendet, um Unterschiede in Verhaltensweisen über Kulturen hinweg zu erklären. In diesem Artikel beschränken wir uns der Einfachheit halber auf die folgende zwei:
Individualismus vs. Kollektivismus
Nehmen wir Individualismus vs. Kollektivismus als Beispiel. In einer Individualistischen Kultur wie den Vereinigten Staaten von Amerika stehen persönliche Errungenschaften und Ziele im Fokus. Deswegen wird Prokrastination oft als eine Schwäche, die es selbstständig zu überwinden gibt, abgestempelt.
Aber wenn wir den Blick auf kollektivistische Kulturen, wie Japan oder Südkorea werfen, steht das Pflichtgefühl gegenüber der eigenen “Gruppe” an erster Stelle. Prokrastination wird nicht als persönliches Problem wahrgenommen; es beeinflusst die Harmonie der gesamten Gruppe, was zu internem Leistungsdruck führt. Und diese kleine Differenz kann all den Unterschied machen!
Unsicherheitsvermeidung
Und dann gibt es noch Unsicherheitsvermeidung. Kulturen, die einen hohen Grad aufweisen - zum Beispiel Portugal oder Griechenland - tendieren dazu weniger Toleranz für Unklarheiten zu haben. Personen mit diesem Hintergrund prokrastinieren oft aus Angst einen Fehler zu machen, und warten stattdessen einen Zeitpunkt ab, an dem sie sich sicher fühlen, auch wenn die Deadline dadurch gereizt wird.
Im Kontrast dazu stehen Kulturen mit einer geringen Unsicherheitsvermeidung wie Dänemark oder Singapur. In diesem Umfeld sind Individuen meist risikofreudiger und können Entscheidungen treffen, ohne jedes letzte Detail zu kennen, wodurch Prokrastination stark eingedämmt werden kann.
Grundsätzlich liefert jede Dimension eine einzigartige Perspektive, um Prokrastination zu untersuchen. Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung zum Beispiel zeigt auf, ob Aufgaben mit Ruhe und Voraussicht angegangen werden, oder schnelle Zielerreichung im Zentrum stehen. Daher sollten wir den Einfluss von Prokrastination nun als tiefgreifendes Konzept basierend auf kulturellen Erwartungen und Werten wahrnehmen, anstatt einem individuellen Problem auf Personenebene.
Exkurs: Das Trompenaars Model
Während Hofstede’s Dimensionen eine ideale Basis zur Betrachtung von Produktivität und Verhaltensweisen in einer Gesellschaft bieten, fokussiert dich Trompenhaars’ Framework auf das Verständnis von interpersonalen und professionellen Beziehungen.
Dafür können wir uns einfach ein deutsches Unternehmen (Yeah, Deutschland!) mit strikten Regeln zu Pünktlichkeit, und eine italienische Firma vorstellen, bei der Deadlines mehr als ein Vorschlag anstatt einer Anforderung angesehen werden.
Jede Kultur prägt durch Aspekte wie diese unterbewusst, wie wir Aufgaben angehen (oder genau so gerne aufschieben).
Prokrastination über Kulturen hinweg: Studien & Analyse
Es ist immer einfach über kulturelle Unterschiede zu theorisieren, deswegen schauen wir uns nun genaue Situationen an, um ein klareres Bild vor Augen zu haben. Dadurch sollte uns schnell bewusstwerden, wie dramatisch (oder schwach) Kultur unser Aufschiebeverhalten beeinflusst.
Eine Vergleichsstudie zu Prokrastinationsraten
Eine Studie, die wir als Referenz nutzen können, vergleicht die Prokrastination vor dem Zubettgehen von Sozialarbeitern aus den USA und China.
Folgendes Szenario: Angestellte, die ihr Smartphone im Rahmen ihres Berufs auch nach der Arbeit im Jobkontext genutzt haben, hatten ein größeres Problem, dieses wegzulegen und schlafen zu gehen (”Bedtime procrastination”). Dieser Effekt ist auf die erschöpfte Selbstkontrolle zurückzuführen, und wurde wesentlich stärker bei US-Amerikanern festgestellt. Aber wieso?
Eine mögliche Erklärung bieten kulturelle Erwartungen, und die Work-Life Trennung. In den USA, wo Individualismus und Flexibilität in der Work-Life Balance einen hohen Stellenwert einnehmen, fordert die Überschneidung von Arbeit mit dem persönlichen Leben mehr Selbstkontrolle, und resultiert somit in Prokrastination. In China beruft man sich stattdessen auf kollektive Verantwortung, weswegen Angestellte gewohnt sind, auch nach der Arbeit erreichbar zu bleiben.
Meta-Analyse: Äußere Umstände als Faktor von Prokrastination
Eine weitere Studie wirft den Blick auf sozioökonomische Faktoren, Familiengröße, und die Wahl des Studiengangs, um Prokrastination im kulturellen Kontext nachzuvollziehen. In der Meta-Analyse wurde kein signifikanter Zusammenhang zwischen den obigen Faktoren und Prokrastination gefunden.
Das ist ein überraschendes Ergebnis! Darauf basierend können wir vermuten, dass individuelle Faktoren, im Vergleich zu kulturellen Normen und Werten, nur eine untergeordnete Rolle einnehmen, wenn es um Prokrastinationsverhalten geht.
Was uns diese Studien sagen
Damit wissen wir, dass Prokrastination zwar ein universelles Phänomen ist, jedoch von jeder Person anders erlebt wird. Während die Handynutzung aus der ersten Studie dieselbe sein mag, wird die Intensität der Folgen abhängig auf der Kultur stärker oder schwächer manifestiert. Kulturelle Werte bezüglich Arbeit, Zeit, und Verantwortung formen Aufschiebeverhalten individuell, und sozioökonomische Aspekte rücken dabei in den Hintergrund.
Fazit
Wenn eines klar geworden ist, dann das Prokrastination nicht nur ein Faktor von Persönlichkeit und Motivation ist; es ist ebenfalls ein Produkt der Kultur, in der wir unser Leben führen. Also wenn du das nächste Mal das Bedürfnis hast, eine Aufgabe aufzuschieben, denke über das folgende nach: Prokrastinierst ich aus persönlicher Gewohnheit, oder gibt mir mein Umfeld einen (ungewollten) Stoß in diese Richtung?
Praktische Tipps & PDF-Zusammenfassung des Artikels
- Bewusstsein entwickeln: Allein durch das Wissen, dass Kultur die eigenen Entscheidungen ebenfalls im Rahmen der Prokrastination beeinflusst, können wir bessere Entscheidungen treffen.
- Kultur kennenlernen: Hinterfrage die Normen und Werte deiner Kultur. Mit welchen stimmst du überein? Welche sind weniger nach deinem Geschmack?
Wissenschaftler & Content manager im EfficiencyLab
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